Gesundheit neu denken

Gesundheit ist der Markt der Zukunft – so tönt es schon seit etlichen Jahren.  Nachdem der durch „Inzucht“ geprägte „Markt“ lange Zeit in Agonie verharrte, ist in den letzten Jahren Bewegung in ihn gekommen. Neue Technologien und mächtige  „fremde Eindringlinge“ bringen ihn in Unordnung. Oder in Ordnung? In welche Ordnung?

Wir sollten diese Chance nutzen, eine Bestandsaufnahme zu machen, neue Fragen zu formulieren und hoffentlich ehrlicher als bisher zu beantworten.

  • Was haben wir durch Milliarden Investitionen in die Onkologie in den letzten 30 Jahren wirklich erreicht?   .. ein paar mehr Monate?
  • ..und in anderen versäumt? Konzentrieren wir die Forschungsgelder und –anreize auf die wirklich relevanten Krankheitsbilder? … was ist mit Asthma, atopischer Dermatitis, Thrombosen oder Arthrosen?
  • Sind alle „Krankheiten“ wirklich Krankheiten? Oder vielleicht gemachte Märkte? Oder schlicht dem Alter geschuldet?
  • Können wir uns das eigentlich leisten, was wir versprechen? Hätten wir genügend Geld, wenn wir neue Wege gingen?
  • Wie kommen wir von einem Krankheitsverwaltungssystem zu einem Gesundheitssystem? Wie begrenzen wir die reine „End- of- Pipe“ Herangehensweise, die darauf setzt, Schaden zu beheben und entwickeln uns in Richtung individuelle Gesunderhaltung, d.h. Schadensvermeidung.

Vielleicht sollten wir uns bewusst machen,  welche Krankheiten bei Einführung eines sozialen Gesundheitssystems in Mittelpunkt standen: Unfälle und akute Infektionskrankheiten. Damit erklärt sich auch der End – of – Pipe Ansatz. Aber warum weigern wir uns so hartnäckig, ihn zu ändern, gerade wo wir wissen, dass chronische Krankheiten einen langen Entwicklungsprozess durchlaufen?? Weil dann mächtige Marktteilnehmer ihre Geschäftsmodelle ändern müssten?

Im Bereich der Infektionen haben wir schon lange Möglichkeiten gefunden, durch Impfungen Prävention zu betreiben – auch wenn Einige heute meinen, dass die Risiken höher sind als der Nutzen. Bei den chronischen Krankheiten haben wir es versäumt oder bewusst unterlassen? Schon seit Jahren hätten wir Langzeitdaten erfassen und daraus Muster erkennen können–nicht erst heute ist das möglich! Selbst heute werden Hürden aufrechterhalten zum Schutz von…? Sicher nicht der Betroffenen.

Ist Prävention – „Stay healthy“ – nicht genau der Ansatz, den wir der Chronifizierung entgegenstellen sollten, um nur die unvermeidbaren Fälle später als heute behandeln zu müssen? Wenn wir mit ja antworten, was folgt daraus?

Wir brauchen neue Forschungsschwerpunkte,  Infrastrukturen und eine Diskussion über Dateneigentum und Datenverwendung statt Datensicherheit.

Wir brauchen neue Modelle, Rollen und  Verantwortlichkeiten, um die Bürgererwartungen den technischen Möglichkeiten und finanziellen Rahmenbedingungen anzupassen.

Hat schon Jemand mal gefragt, wie viel Prozent des Einkommens er /sie bereit ist, sofort für Gesundheit abgezogen zu bekommen? Meines Wissens – nein. Diese Frage wäre einer der Türöffner für eine realistische Diskussion zwischen Wünschen und Machbarkeit. Sie würde  auch dazu zwingen, bessere Lösungen als heute anzubieten, die möglich sind und den „Frust“ im System reduzieren könnten?

Zweifelsohne ist eine gesunde Bevölkerung sowohl im Interesse jeder Einzelnen / jedes Einzelnen als auch der Gemeinschaft sei es Gesellschaft oder Unternehmen. Wir möchten uns frei bewegen, ohne Angst vor Ansteckung und möchten am Leben teilhaben können, leistungsfähig sein.

Gesundheit ist eine Aufgabe des Staates im Rahmen der Daseinsvorsorge  – aber nicht ausschließlich.  Das Individuum trägt hierfür ebenso Verantwortung. Das wird immer deutlicher, je mehr wir Individualität systembiologisch verstehen und  individuellere Behandlung erwarten. Gerade der  letzter Punkt wird  durch den „Digital Health“ Hype gepuscht.

Für mich stellen sich somit viele Fragen. Hier ein erster Auszug:

Was ist eigentlich Gesundheit? Wonach streben wir?
„Stay healthy“ – will ich solange wie möglich „natürlich“ gesund bleiben?
Oder eher mit allen verfügbaren Mittel unsterblich werden wie es der Hausstratege von Google R. Kurzweil anstrebt?

Wer zahlt dann für was? Welche Forschungsschwerpunkte sollten durch die Gemeinschaft finanziert werden? Wie schaffen wir die Wissensasymmetrie wieder ab, um Innovationen zu beschleunigen und Lernen für Alle zu ermöglichen? Es sollte nicht sein, dass der Steuerzahler mehrfach zahlt.

Wie muss sich das Arztbild – Eigen  – und Fremdbild – wandeln, wie die Ausbildung ändern, um den Erwartungen gerecht zu werden und den Erkenntnisgewinn sinnvoll anwenden zu können?

Welchen Sinn machen Normwerte und „Evidence- basierte Therapievorschläge“, wenn wir doch immer deutlicher sehen, dass wir wirklich Individuen sind. Schon heute  haben wir einen Geschlechterbias. Dabei  wird unsere Individualität eher im Proteom, Metabolom und Mikrobiom deutlich als im  Genom? Das heißt, die bisher dominante Gen basierte „personalized medicine“ braucht dringend eine Erweiterung

Ist Prävention  – „Stay healthy“ möglich?  Wo stehen wir und welche Fragen müssen vorrangig beantwortet werden? Wie kann individuelle Prävention  wirksam werden? Welchen Beitrag kann Ernährung dabei liefern? Wieviel Gesundheit ist in einem von Misstrauen und Angst geprägten Miteinander möglich? Welchen Beitrag können Langzeitdaten zur Muster Erkennung und der individuellen Krankheitsentstehung liefern?

Ein neuer Ansatz definiert Gesundheit als phänotypische Flexibilität und meint damit, die Fähigkeit eines Individuums sich nach Störung  wieder in einen neuen Zustand der Homöostase einzupendeln. Dabei ergeben sich aus Amplitude,„Rückstellzeit“ und neuem Gleichgewichtszustand ein „Gesundheitsmaß“.

Aber in welchen Zustand sollte ich  mich als „Gesunde“ denn neu einpendeln, wenn wir davon ausgehen, dass jeder Zustand in unserem Leben exakt nur einmal vorkommt? Wenn ich es nicht schaffe, welche konkreten Maßnahmen folgen daraus?

Dies sind bei weitem nicht alle Fragen, die wir stellen sollten. Sie sollten Sie nur auf das wesentliche Ziel einstimmen.

Jetzt mit der Neukonzeption eines Gesundheitssystems zu beginnen – völlig losgelöst von dem Bestehenden. Auf der Grünen Wiese „Gesundheit neu denken“.

Die Basis hierzu schafft eine kritische Bestandaufnahme dessen, was ist und was wir wirklich wissen,
eine  klare Zielformulierung dessen, was wir erreichen wollen,
die Abschätzung von Entwicklungen sowie als entscheidende Komponente –  die finanziellen Rahmenbedingungen.

Dies ist eine politisch, gesellschaftlich gestalterische Aufgabe. Idealer Träger einer solchen Initiative könnte eine „neutrale und integre“ Institution, wie z.B. eine Stiftung sein. Wichtig ist es, sowohl neue, unverbrauchte Experten einzubinden als auch die Bürger, um eine tragfähige und akzeptierte Lösung zu finden.  Machen Sie mit?

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