„Gegen Wahlen – warum Abstimmen nicht demokratisch ist“

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„Gegen Wahlen – warum Abstimmen nicht demokratisch ist“

– ein Weg zu einer faireren Gesellschaft und lebendigen Demokratie!

Die Welt  – insbesondere unsere, die „erste“ Welt ist stark verunsichert. Zunehmende Kriegslust um uns herum, Terrorismus und  Populismus scheinen auf den ersten Blick dafür verantwortlich zu sein.

Bei genauerem Hinsehen sitzt diese Unruhe aber viel tiefer.  Viele spüren, es stimmt grundsätzlich etwas nicht mehr. Verstärkt wird dieses Gefühl durch die Wahl Donald  Trumps. Sein  zu erwartendes Handeln könnte zum Wendepunkt der westlichen Demokratien werden. Nicht die Mehrheit, wie es in einer Demokratie sein sollte, sondern die, die am lautesten und hässlichsten schreien, bestimmen die Agenda. Die 80:20 Regel wird auch bei uns in Deutschland derzeit so interpretiert wird, dass 20% bestimmen, welche  Politik gemacht wird. Dies ist der falsche Weg!

Die Welt, Europa, unser Land sind im Umbruch. Es scheint nur eine Richtung zu geben: Re -Nationalisierung,  Sicherheit durch Abschottung, steigende Überwachung aller Bürger, noch mehr  Kontrolle. Weitere Machtkonzentration in immer weniger Händen – auch weil wir uns ins private, lokale bestenfalls die regionale Ebene zurückziehen. Wir geben den öffentlichen Raum auf. Die Machtbewussten können immer unkontrollierter Ihre Interessen vorantreiben. Die „Altendemokratien“ machen es Ihnen besonders einfach: die Älteren hoffen, es wird so schlimm nicht kommen und die Jüngeren haben bisher nicht für ihre Rechte eintreten müssen. Liberté, Fraternité undEgalitè – was war das noch?

Der Kontrollwahn wird für uns alle sehr  teuer – finanziell wie gesellschaftlich. Wollen wir das? Hatten wir das nicht alles vor nicht allzu langer Zeit schon? Mit bekannten Ergebnissen?

NGOs und die sogenannte Zivilgesellschaft werden gerne genannt als Teil der “lebendigen“ Demokratie und in die Pflicht genommen. Für das Ehrenamt wird geworben. Häufig um die Defizite auszugleichen, die eine  Politik ohne Voraussicht angerichtet hat.

Dabei wird jedoch allzu leicht übersehen, dass NGOs mit zunehmender Größe und Bedeutung ganz ähnlich agieren wie einzelne Konzerne, d.h. Individuen bzw. kleine Gruppen befriedigen ihre persönlichen Interessen unter dem Mantel des „Gutmenschentums“. Mancher Vertragspartner wird mit nicht ganz fairen Mitteln gewonnen. Zum anderen ist die Zivilgesellschaft inzwischen so kleinteilig  und unübersichtlich, dass sie nie wirklich ein Gegengewicht darstellen kann.

Ganz entscheidend ist für mich  – auch sie sind nicht demokratisch legitimiert. 

Ich frage mich häufig, wer von uns sehnt sich nach Konflikt, Krieg im schlimmsten Fall? Wer möchte ausgegrenzt sein? Wer möchte jeden Tag aufs Neue wirklich um sein Überleben kämpfen müssen? Wieso scheinen wir trotz eines enormen Erkenntnisgewinns und früher unbekannten  Möglichkeiten, Einblick in andere Weltregionen zu gewinnen, in uralte Verhaltensmuster zurückzufallen –  Abgrenzung, Ausgrenzung! Gemeinsam gegen den „äußeren Feind“  – Verteidigung der eigenen Gruppe. Leider ist die Gruppengröße heute manchmal 1! Da werden viele zu Verlierern, wenn wir diesen Weg beschreiten.

Häufig ist die Antwort: “Der Mensch lernt nichts dazu!“ Ein paar tausend Jahre sind zu kurz für die langsame Evolution. Aber können wir uns da so sicher sein? Wie wäre es, wenn sich auch die Evolution beschleunigt, unter dem Druck von mehr Menschen, vielfältigen Einflüssen und all dem Erkenntnisgewinn, den wir in den letzten 150 Jahren gemacht haben. Warum sollte sich nur die technische Entwicklung beschleunigen?

Warum akzeptieren wir eigentlich, die Mechanismen der Macht, so wie sie heute sind und früher waren – obwohl wir mehr Einblick und Möglichkeiten haben? So setzen wir unseren Denkansätzen von vornherein Grenzen. Viele, die meisten von uns haben eine Sehnsucht nach Fairness! Wie müssten daher Strukturen, Prozesse aussehen, wie müsste sich jeder Einzelne von uns einbringen, um nicht länger, Wenigen die Entscheidungen zu überlassen. Noch sind wir vor dem Gesetz alle  gleich.

Eine lebenswerte und finanzierbare Zukunft ist nur mit Vertrauen möglich. Der Wiederaufbau einer Vertrauenskultur verlangt das Engagement jeder BürgerIn.  Die Perspektive des Beobachters ist dabei nicht vorgesehen.

Es war sehr bequem, die „Demokratie“ an Berufspolitiker  zu übergeben. Aber so funktioniert es nicht – wie wir heute deutlich erkennen. Es wird Zeit, dass wir unsere Rechte aber auch unsere Pflichten in einer Demokratie wieder selbst ausüben.  Um aber wirklich Einfluss zu nehmen, mitzugestalten, mitzuentscheiden, brauchen wir eine entsprechende Weiterentwicklung unserer Repräsentativen Demokratie. Nur wer eingebunden wird, mitdenken, und mitentscheiden muss – nicht kann -, wird sich mit Themen entsprechend auseinander setzen, sich in Neues einarbeiten und die Abwägung der persönlichen Interessen mit Gemeinschaftsinteressen wieder lernen.Ein Führerschein für politische  Bildung wie von  Thomas Leif in „Der Zeit“ 2017 gefordert, reicht nicht aus. Denn was hilft es, wenn ich  Ideen habe, aber keine Wirkung erzielen kann.

Direkte Demokratie im Sinne von mehr Volksentscheidungen auch auf nationaler oder europäischer Ebene halte ich für den falschen Weg – wie auch der Brexit zeigt.  Denn hier besteht genauso wie im bestehenden System die Gefahr, dass sich Lobbygruppen – damit sind auch die „ Gutmenschen“ gemeint – durchsetzen, die die lauteste Stimme haben,  die beste PR und die Themen und Alternativen genauso wenig differenziert darstellen wie andere etablierte Institutionen auch. Wir Bürger  müssen erst wieder lernen, uns mit wichtigen Fragen möglichst vorausschauend  zu beschäftigen. Das machen wir im Allgemeinen nur, wenn wir betroffen bzw. verpflichtet sind.

Ich schlage vor, Bürger per Los zur Mitarbeit im Staat auszuwählen, die dann für einen begrenzten Zeitraum, in einer klar definierten Rolle, Aufgaben in Ergänzung zu gewählten Vertretern bearbeiten. Hierfür werden sie bezahlt.   Dadurch wird zum einen sichergestellt, dass jeder Bürger sich aktiv mit gesellschaftlich relevanten  Themen auseinandersetzt und sich eine fundierte Meinung bildet. (es braucht dann auch viel wengiger Verbraucherschutzgesetze :)). Gleichzeitig sollten sowohl die Amtsperioden der Abgeordneten wie auch der BundeskanzlerIn auf eine Wiederwahl begrenzt werden. Dadurch werden Oligarchie ähnliche Strukturen bzw. engvernetzte Peergruppen verringert  – am besten vermieden werden – eine Voraussetzung für eine lebendige Demokratie.

Wie das gehen kann, welche Erfahrungen es schon gibt und wie alt dieses Verfahren ist, können sie in dem Buch von David van Reybrouck „Gegen Wahlen – warum Abstimmen nicht demokratisch ist“, lesen. Er beleuchtet die Entwicklung der Demokratie von den Griechen bis heute und zeigt, wie schon im Mittelalter aber auch in der jüngsten Vergangenheit, Staaten Losverfahren und intelligente Kombinationen mit weiteren Verfahren genutzt haben, um Bürger  längerfristig  ergänzend zu gewählten Vertretern und Experten in die politischen Prozesse einzubinden.

Er zeigt gelungene aber auch fehlgeschlagene Versuche. Er weist auf  notwendige Rahmenbedingungen und unterschiedliche Strukturen und Prozesse hin. Eine gelungene Version ist z.B. die Umgestaltung der isländischen Verfassung nach der Finanzkrise.

 Dieses Buch ist ein guter Ansatz, um die Diskussion zu eröffnen, wie wir unser politisches System so weiterentwickeln können, dass Politik wieder zum Allgemeingut wird. Wir brauchen keinen „Führerschein für politische Bildung“, sondern die Rückkehr des politisches Denkens und Handeln in den Alltag jedes Einzelnen.  Nur so kann der Einfluss von Lobbyisten, Machtbewussten aber auch so manchen Experten längerfristig abgebaut werden.

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Kommentare
  • Apostolos Simeonakis
    Antworten

    Evelyn, Danke für Deine Mail und diesen Kommentar. Ja, auch ich frage mich, warum sich soviele Menschen anscheinend nach Konflikten, gar Krieg zu sehnen scheinen. Warum lassen wir über uns entscheiden? Weil wir keine Zeit haben, um uns einzubringen, unsere Meinung zu sagen? Der Monat zu kurz ist, das Geld verdient werden muss? Sind wir oder werden wir beschäftigt, damit wir unsere Energie nicht und politische Findungsorizesse und Entscheidungen einbringen können? Wäre es nicht an der Zeit, jetzt, da es die Werkzeuge gibt, eine Partei der Empathie und Vernunft zu gründen? Warum geschieht das nicht? Weil sich an die Spitze einer Initiative, einer Bewegung, einer Partei zu stellen, Visionen und Ideen zu verkünden, Hand in Hand mit dem Selbstbildnis von Soziopathen geht? Weil eben nur „Machtmenschen“ und „Machertypen“ gerne im Mittelpunkt stehen, gerne ihre Sichtweisen und Überzeugungen öffentlich kundtun und empathische, sozial intelligente Menschen gerne unter dem Radar fliegen, sich nicht gerne in den Vordergrund drängen? Ist das der Grund, weshalb wir in Spitzenpositionen der Politik und Wirtschaft meist Menschen sehen, die nur ihre Interessen zu vertreten scheinen?

    Es ist ist an der Zeit, Demokratie auf eine neue Basis zu heben.

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